Design mit Nachklang
Uhren und Motive mit Zeitgeist.

Die collection 1, die erste Uhr aus dem Seiko power design project, ist nicht einfach nur eine Armbanduhr. Sie wurde entwickelt, um unsere innersten ästhetischen Empfindungen zu wecken.
Gemeinsam mit dem Illustrator NAKAKI PANTZ, der die Motive für das Seiko power design project und die collection 1 gestaltet hat, sprachen wir mit Yuya Suganuma, dem Hauptdesigner, über die Entstehung der collection 1 und ihren besonderen Reiz.

Das Comeback des power design project

Yuya Suganuma: Uhren waren schon als Student ein Teil meines Alltags. Ich hatte zwar nicht viele, aber bei Terminen außerhalb der Uni habe ich immer eine getragen. Zum Beispiel bei Praktika. Für mich war eine Uhr eher Ausdruck meiner Persönlichkeit als ein Gerät zum Zeitablesen.

Suganuma kam 2021 zu Seiko. Er war zunächst an der Gestaltung der Seiko 5 Sports Kollektion beteiligt. In dieser Zeit erfuhr er, dass das power design project neu aufgelegt werden sollte. Dieses Projekt lief ursprünglich von 2001 bis 2009. Es wurde ins Leben gerufen, um Seiko-Designern die Freiheit zu geben, neue Wege in der Uhrengestaltung auszuprobieren. Dabei sollten sie sich bewusst von bestehenden Regeln und Erwartungen lösen. Gerade junge Designer wie Suganuma wurden eingeladen, daran teilzunehmen.

Suganuma: Normalerweise entwirft jemand ein Konzept, und wir Designer setzen es gestalterisch um. Dieses Projekt war anders. Ich konnte von Anfang an mitdenken. Das war eine seltene Gelegenheit. Ich war zwar noch neu bei Seiko und kannte mich technisch noch nicht so gut aus. Aber durch die Unterstützung meiner erfahrenen Kolleginnen und Kollegen konnte ich mein erstes vollständiges Design umsetzen.

Das Thema des power design project 2022 lautete Rebirth. Es ging darum, alte Ideen und Technologien aus der Seiko-Geschichte in die Gegenwart zu bringen. Eine weitere Vorgabe: Am Ende sollte eine echte, funktionierende Uhr entstehen. Kein reines Konzeptmodell.

Suganuma entschied sich für die Seiko Tisse als Ausgangspunkt. Diese Damenarmbanduhr wurde 1984 veröffentlicht.

Suganuma: Ich interessiere mich auch für Schmuck und Accessoires. Uhren im Stil eines Armbands sieht man heute kaum noch. Als ich die Tisse in den Seiko-Archiven gesehen habe, wirkte sie sofort spannend auf mich. Ich hatte das Gefühl, dass man mit einem kleinen Impuls daraus etwas schaffen kann, das zum heutigen Stil passt. Trotzdem war der Weg zum fertigen Entwurf nicht einfach.
Ich wollte die Uhr so gestalten, dass sie wie ein persönliches Accessoire getragen werden kann. Dabei sollten Geschlecht oder Alter keine Rolle spielen. Hätte sie einfach nur wie eine klassische Damenuhr ausgesehen, wäre sie automatisch in eine bestimmte Kategorie eingeordnet worden. Ich wollte genau das vermeiden. Die Menschen sollen sie mit offenem Blick betrachten.

Ein Hauch 2020er für ein Modell von 1984

Ein kreativer Kopf, der Suganumas gestalterische Herausforderung gut nachvollziehen konnte, war Illustrator NAKAKI PANTZ. Er gestaltete die Motive für das Seiko power design project und die collection 1.

NAKAKI PANTZ: Das Referenzmodell Tisse war markant, gleichzeitig klassisch und elegant. Trotz seiner Schlichtheit spürt man das durchdachte Design dahinter. Die neue Version aus der Hand von Suganuma bringt diese Linie auf den Punkt und verleiht ihr einen klaren Look der 2020er-Jahre.
Für mich ist eine Uhr in erster Linie ein modisches Statement – das einem auch noch zuverlässig die Zeit sagt. Wenn man etwas sucht, das nicht zu lässig wirkt, aber trotzdem auch zu formellen Anlässen passt, dann ist die collection 1 ziemlich nah dran am Ideal.

Suganuma: Die Tisse wirkte wie ein Accessoire mit ihrer Kette aus kleinen Gliedern, aber zugleich auch sehr technisch. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich dieses besondere Gefühl im Design erhalten kann. Genau das war am schwierigsten. Ich wollte den lockeren, fast schwebenden Charakter der Tisse bewahren und gleichzeitig neue, feine Nuancen einarbeiten. Mein Ziel war eine moderne Interpretation mit einem klaren 2020er-Gefühl.

NAKAKI PANTZ: Und wie setzt man so ein Gefühl ganz konkret gestalterisch um?

Suganuma: Das auffälligste Merkmal des neuen Designs ist, dass sich die Form und Größe der Armbandglieder oberhalb und unterhalb des Gehäuses unterscheiden. Damit wollten wir das klassische Bild aufbrechen, dass kleine Uhren automatisch für Frauen gedacht sind. Wir haben das Gehäuse optisch mit dem oberen Armband verschmolzen und die Kontraste zwischen den Gliedern bewusst hervorgehoben. So entsteht ein Look, der fast nicht mehr wie eine klassische Uhr wirkt – im besten Sinne. Bei der Gestaltung hat uns auch der Eindruck beeinflusst, dass auffällige Armbänder gerade wieder im Trend sind.

NAKAKI PANTZ: Verstehe. Das ergibt Sinn. Ich möchte Dinge tragen, die zu meinem Geschmack passen. Ich greife immer zu Designs, die mich intuitiv ansprechen. Nicht zu etwas, das nur für einen bestimmten Zweck gemacht ist. Genau das spiegelt sich in der collection 1 wider. Sie ist lässig genug für den Alltag und wirkt trotzdem durchdacht. Dass es sie nur in drei Farben gibt – Gold, Silber und Schwarz – finde ich auch stark. Ich war ehrlich überrascht, dass sie von einem Designer meiner Generation stammt. Woher nimmst du deine Inspiration?

Suganuma: Wenn mir etwas gefällt, versuche ich ganz genau zu erfassen, was mich daran anspricht. Das gilt nicht nur für dreidimensionale Objekte. Auch Handwerkskunst oder Malerei können mich inspirieren. Ich habe das Gefühl, dass ich mir so Ideen aus ganz verschiedenen Bereichen zusammensetze. Manchmal denke ich einfach: Diese Farbe gefällt mir. Oder: Diese Formenkombination ist spannend. Und so sammle ich ein Detail nach dem anderen.

NAKAKI PANTZ: Das ist bei mir ähnlich. Ich lasse mich auch von vielen Dingen inspirieren. Oft suche ich bei Pinterest oder Instagram nach Farbkombinationen oder Stimmungen. Du holst dir deine Ideen aus dem, was du physisch siehst und berührst. Ich schöpfe viel aus Bildern und digitalem Content. Vielleicht ist die kreative Arbeit am Ende dieselbe. Aber wie wir arbeiten, spiegelt sich auch in dem wider, was wir gestalten. Und genau das finde ich spannend.

Eine Uhr, die mit Klischees bricht und den persönlichen Stil in den Mittelpunkt stellt

Suganuma leitete auch die Motive für das Seiko power design project und collection 1. Er war es, der NAKAKI PANTZ für die Illustrationen anfragte.

Suganuma: Als ich an die Motive dachte, stellte ich mir genau die Figuren vor, die NAKAKI PANTZ typischerweise zeichnet. Ihre Ästhetik hat mich sehr angesprochen. Ich fand, ihre sensiblen Bilder, die zugleich nostalgisch und modern wirken, passen perfekt zum Projekt. Deshalb habe ich sie kontaktiert.

NAKAKI PANTZ: Vielen Dank. Ich war erst unsicher, ob ich für so ein traditionsreiches Unternehmen arbeiten kann, aber ich wollte die Erwartungen erfüllen. Da die collection 1 Uhr von Menschen verschiedenen Alters getragen wird, habe ich mit viel Verantwortung gearbeitet und immer wieder überlegt, warum gerade ich für das Projekt ausgewählt wurde.
Ich bin sicher, dass die Menschen, die diese Uhr wählen, von ihrem Umfeld bewundert werden. Für die drei Figuren wollte ich Personen zeigen, bei denen man denkt: „So möchte ich sein“ oder „Ich möchte die gleiche Uhr tragen.“ In meinen eigenen Werken zeichne ich oft Charaktere mit verschiedenen Accessoires. Die Motive für collection 1 passen perfekt. Die Uhren wirken natürlich und gleichzeitig besonders. Das freut mich sehr.

Suganuma: Ich war in jedem Schritt der Produktion beeindruckt. Es hat Spaß gemacht, die Figuren, die ich mir vorgestellt habe, so lebendig werden zu sehen. Für mich geht es bei Uhrendesign vor allem um die Frage: „Welche Uhr würde ich selbst gerne tragen?“ Ich habe dir deshalb viele Mode- und Porträtfotos als Referenz geschickt, um diese Fragen zu klären: „Wer möchten wir sein?“ und „Wer soll die Uhr tragen?“

NAKAKI PANTZ: Du hast mir eine klare Vorstellung gegeben, deshalb konnten wir gut zusammenarbeiten. Beim Figurenzeichnen beginne ich mit der Persönlichkeit oder einem wichtigen Merkmal. Für die Hauptfigur wollte ich einen starken, selbstbewussten Menschen zeigen, ohne eindeutiges Geschlecht.

Suganuma: Wir wollten, dass die Uhr Menschen anspricht, die frei von Vorurteilen sind und nach ihrer eigenen Empfindung entscheiden. Auch bei den Motiven haben wir bewusst auf starre Rollenbilder verzichtet. Ein weiteres Motiv zeigt das Seiko power design project. Das ist ebenfalls sehr gelungen.
Ich wollte eine Darstellung, die die Haltung der Designer zeigt, wie sie gemeinsam an dem Projekt arbeiten. Ich bat dich um Dynamik, Schwung und eine Stimmung, in der das Team Spaß hat.

NAKAKI PANTZ: Ich habe fünf bunte Figuren in Lila, Grün, Gelb, Blau und Pink geschaffen, die aber nicht wie eine Einheit wirken. Sie sind unterschiedlich im Alter und Geschlecht und bewegen sich gemeinsam nach vorne. Das Bild ist hell und positiv.

Suganuma: Das Seiko Design Team besteht aus vielen verschiedenen Menschen. Deshalb freut es mich sehr, dass du diese Vielfalt in den Motiven genau getroffen hast.

Kreativität, die Menschen berührt

Seiko hat eine lange Tradition, deshalb wird die Marke oft als sehr traditionsbewusst wahrgenommen. Welche Rolle wird das Seiko power design project in Zukunft spielen?

Suganuma: Bei unseren regulären Modellen müssen wir Designs schaffen, die möglichst vielen Menschen gefallen. Das gehört zu den Aufgaben von Designern. Aber ich finde, wir sollten auch zeigen, dass wir über den Tellerrand hinausdenken und neue, spannende Ideen entwickeln können.
Für mich ist es wichtig, viele kreative Designer zu haben, ihre Gefühle und Vorstellungen ehrlich in Produkte umzusetzen und diese in einer Form auf den Markt zu bringen, die die Menschen wirklich tragen möchten.

NAKAKI PANTZ: Genau das habe ich auch während des Projekts gedacht. Seiko wirkt oft konservativ, deshalb hat es mich überrascht, wie spielerisch hier gestaltet wird. Es ist toll zu sehen, wie ungewöhnliche Ansätze so schöne Ergebnisse hervorbringen.

Wenn ich Produktdesigner wäre und das Design von collection 1 sehen würde, wäre ich sicher auch ein bisschen frustriert. Manche denken vielleicht, sie hätten fast dieselbe Idee gehabt, aber aus so einem „fast“ eine echte Neuheit zu machen, ist sehr schwer. Oft entscheidet eine Mischung aus Timing, Zufall und Inspiration. Kreatives Arbeiten ist letztlich eine ständige Wiederholung dieses Prozesses, oder?

Suganuma: Das Gefühl „Das hätte ich auch selbst erfinden können“ ist für mich ein wichtiger Teil von Design. Das heißt, es ist eine Form von Einfühlungsvermögen. Kleine Erkenntnisse im Alltag können für jemanden zu neuem Wert werden oder andere berühren. Und genau diese Verbindung kann der Moment sein, in dem wirklich Großartiges entsteht.

Steckbriefe

NAKAKI PANTZ
Illustratorin, bekannt für Darstellungen starker und authentischer Frauen. Arbeitet für zahlreiche Modemarken, erstellt Motive, Musikvideo-Illustrationen und weitere kreative Inhalte. Für das Seiko power design project und collection 1 gestaltete sie die Motive.

Yuya Suganuma
Designer bei Seiko Watch Corporation seit 2021. Schwerpunkt liegt auf der Seiko 5 Sports Kollektion. War maßgeblich an der Gestaltung von „TISSE our time“ beteiligt, das 2022 im power design project „REBIRTH“ vorgestellt und als collection 1 auf den Markt gebracht wurde.

Report & text:Tetsuo Shinoda